Stellungnahme zur RSV-Impfung für Schwangere

November 2023

Eine gemeinsame Empfehlung

  • der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG),
  • der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM),
  • der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM),
  • der AG Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG (AGG),
  • der Arbeitsgemeinschaft für Infektionen und Infektionsimmunologie in Gynäkologie und Geburtshilfe (AGII),
  • der Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Ärztinnen und Ärzte in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe (BLFG) und
  • des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF).

Dieses konsentierte Positionspapier stellt eine Nutzen-Risiko-Bewertung der
RSV-Impfung von schwangeren Frauen unter Berücksichtigung der Datenlage
(Stand 10/2023) dar.

Am 24.08.2023 erteilte die EU-Kommission, der Stellungnahme der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) vom 21.07.2023 folgend, nach beschleunigtem Bewertungsverfahren aufgrund des hohen Interesses für die öffentliche Gesundheit (1), dem RSV-Impfstoff Abrysvo® (Pfizer) die Zulassung „zum passiven Schutz von Säuglingen ab der Geburt bis zum Alter von 6 Monaten vor Erkrankungen der unteren Atemwege, die durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) verursacht werden, nach Immunisierung der Mütter während der Schwangerschaft“ (2).

Die multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Zulassungs-Studie „MATISSE“ zur Beurteilung der Wirksamkeit zur Prävention RSV-assoziierter Erkrankungen der unteren Atemwege bei Säuglingen randomisierte 3.695 Schwangere (24 bis 36 SSW) mit unkomplizierten Einlingsschwangerschaften in die Impfstoff- und 3.697 in die Placebo-Gruppe. Schwere RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege binnen 90 Tagen post natum traten bei 6 Kindern der Impfstoffgruppe und 33 Kindern der Placebogruppe auf (Impfstoffwirksamkeit 81,8 %; 99,5 % KI 40,6-96,3); 19 Fälle bzw. 62 Fälle traten innerhalb von 180 Tagen post natum auf (69,4 %; 97,58 % KI 44,3-84,1) (2, 3).

Der bivalente Impfstoff gegen zwei rekombinante stabilisierte RSV-Präfusions-F-Antigene der Virushülle der RSV-Stämme A und B ist seitens der EMA als Einzeldosis zwischen 24 und 36 SSW zugelassen. Die zeitgleiche Applikation zur Influenza-Impfung sowie ein 2-wöchiger Impfabstand zur Tdap-Impfung (Pertussis) ist hierin ausgewiesen (2). Eine Bewertung der STIKO für die bevorstehende RSV-Saison in Deutschland steht derzeit aus.

Zum optimalen Zeitpunkt der Impfung in der Schwangerschaft können zum jetzigen Zeitpunkt nur begrenzt Aussagen getroffen werden. Die Anwendung zwischen 24 und 36 SSW laut Zulassung folgt dem Einschluss der Schwangeren in der Zulassungsstudie.
Selbige berichtet in einer Post-hoc-Analyse zur Impfstoffwirksamkeit nach Gestationsalter bei Impfung eine höhere Wirksamkeit bei Impfung von 30 bis 36 SSW im Vergleich zur Impfung vor 30 SSW: RSV-Erkrankung der unteren Atemwege der Kinder bis 180 Tage [62,4 % (95 % KI 41,6-76,4) vs. 30,9 % (95 % KI 14,4-58,9)] und schwere Erkrankungen der unteren Atemwege der Kinder bis 180 Tage [78,1 % (95 % KI 52,1-91,2) vs. 57,2 % (95 % KI 10,4-80,9)] (2).

Die häufigsten Nebenwirkungen umfassten in der Zulassungsstudie Schmerzen der Injektionsstelle (41 %), Kopfschmerzen (31 %) und Myalgien (27 %) in leichter bis mittelschwerer Ausprägung von max. 3 Tagen. Des Weiteren zeigte sich eine Imbalance in der Frühgeburtenhäufigkeit zwischen Impfstoff- und Placebogruppe, jedoch ohne statistische Signifikanz (2). Die verfügbaren Daten erlauben keine abschließende Bewertung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Frühgeburtlichkeit und der RSV-Impfung.

Die FDA (U.S. Food & Drug Administration) beschränkt deshalb derzeit die Zulassung auf die Schwangerschaftswochen 32 bis 36 SSW (4). Entsprechend empfehlen CDC (Centers for Disease Control and Prevention, USA) (5) und ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) (6), dass Schwangere zwischen 32 und 36 SSW die RSV-Impfung mit Abrysvo® in der regionalen RSV-Saison erhalten sollten.

Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Sicherheitsaspekte sowie im internationalen Kontext schließen sich die Fachgesellschaften daher der Empfehlung einer Verabreichung des RSV-Impfstoffes ab 32 SSW an.

Auch die Frage einer möglichen früheren Applikation bei drohender Frühgeburt kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden. Die Zulassungsstudie schloss keine Schwangerschaften mit erhöhtem Frühgeburtsrisiko ein. Allerdings können insbesondere Frühgeborene durch eine geringere Versorgung mit maternalen Antikörpern auch in den ersten Lebenswochen bereits schwer an einer RSV-Infektion erkranken.
Neben Frühgeborenen sind Kinder mit pulmonalen Erkrankungen und Kinder mit Herzfehlern als Risikopatienten im Falle einer RSV-Infektion einzustufen (7). Eine langfristige Immunität besteht nicht (7). Die Frage der Notwendigkeit einer erneuten Impfung bei nachfolgenden Schwangerschaften wurde ebenfalls nicht beantwortet (2). In der Beratung Schwangerer sollen daher individuelle geburtshilfliche, mütterliche und kindliche Risikofaktoren und den Wunsch der Eltern berücksichtigt werden.

Die perinatologischen Fachgesellschaften empfehlen die saisonale RSV-Impfung für Schwangere ab 32 SSW in informierter partizipativer Entscheidungsfindung.

Redaktionsgruppe:

DGPM Dr. Janine Zöllkau* (Jena), Prof. Dr. Ulrich Pecks (Würzburg), Prof. Dr. Ekkehard Schleußner (Jena), Prof. Dr. Mario Rüdiger (Dresden)

DGGG Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt (Hamburg), Prof. Dr. Sven Kehl (Erlangen), Dr. Carsten Hagenbeck (Düsseldorf)

AGG Prof. Dr. Michael Abou-Dakn (Berlin), Prof. Dr. Annegret Geipel (Bonn), Prof. Dr. Tanja Groten (Jena), Prof. Dr. Markus Schmidt (Duisburg)

DGPGM PD Dr. Dietmar Schlembach (Berlin)

AGII Prof. Dr. Werner Mendling (Wuppertal)

BVF Dr. Klaus Doubek (Wiesbaden), Dr. Cornelia Hösemann (Großpösna)

*Universitätsklinikum Jena
Klinik für Geburtsmedizin
Am Klinikum 1
07747 Jena
janine.zoellkau@med.uni-jena.de

Literatur:

  1. Commission E. European Health Union Commission authorises first vaccine to protect infants from respiratory syncytial virus (RSV) infections 2023 [Available from: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/mex_23_4261.]
  2. EMA EMA. Abrysvo EPAR product information 2023 [Available from: https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/abrysvo-epar-product-information_de.pdf.]
  3. Kampmann B, Madhi SA, Munjal I, Simoes EAF, Pahud BA, Llapur C, et al. Bivalent
    Prefusion F Vaccine in Pregnancy to Prevent RSV Illness in Infants. N Engl J Med.
    2023;388(16):1451-64.
  4. FDA. ABRYSVO 2023 [Available from: https://www.fda.gov/vaccines-blood-biologics/abrysvo.]
  5. CDC. Healthcare Providers: RSV Vaccination for Pregnant People 2023 [Available from:
    https://www.cdc.gov/vaccines/vpd/rsv/hcp/pregnant-people.html#:~:text=CDC%20recommends%20a%20respiratory%20syncytial,pregnancy%20during%20September%20through%20January.]
  6. ACOG. Maternal Respiratory Syncytial Virus Vaccination Practice Advisor 2023[Available from: https://www.acog.org/clinical/clinical-guidance/practice-advisory/articles/2023/09/maternal-respiratory-syncytial-virus-vaccination.]
  7. Robert Koch Institut R. Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV) RKI-Ratgeber 2018 [updated 06.02.2018. Available from: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html#doc2394298bodyText11]

Präsidentin
Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt

Repräsentanz der DGGG und
Fachgesellschaften
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