Umsichtige Beratung und einfühlsame Motivation
Impfen in der Schwangerschaft
Janine Zöllkau, Carsten Hagenbeck, Ekkehard Schleußner
Die Impfberatung schwangerer Frauen ist eine wichtige Aufgabe der Mutterschaftsvorsorge. Besonders die Impfungen gegen Influenza, Pertussis und COVID-19 gilt es, im Blick zu haben. Fundiertes Wissen und eine faktenbasierte Beratung bilden die Basis für eine bestmögliche Impfakzeptanz.
Impfungen in der Schwangerschaft gehören unumstritten zum frauenärztlichen Kompetenzbereich. Nicht nur die Prüfung des Impfstatus vor und bei Schwangerschaftseintritt, sondern auch die aktive Beratung zu empfohlenen Impfungen für Schwangere erfordern die Expertise von Frauenärztinnen und Frauenärzten. Die Bedeutung gynäkologischer Beratung zeigt sich derzeit auch im Kontext der COVID-19-Impfung.
Warum in der Schwangerschaft impfen?
Die Schwangerschaft geht mit physiologischen Anpassungen des maternalen Immunsystems einher, um eine Immuntoleranz gegenüber dem semiallogenen Feten und der Plazenta zu ermöglichen. Neben immunologischen Veränderungen, wie einer Verlagerung zellvermittelter zu humoraler Immunreaktionen, können auch schwangerschaftsassoziierte kardiovaskuläre, respiratorische und hormonelle Umstellungen sowohl zu einer erhöhten Empfänglichkeit als auch zu schwereren Verläufen bestimmter Infektionserkrankungen führen [1, 2, 3, 4, 5]. Schwangere Frauen sind trotz der physiologischen immunologischen Anpassung in der Lage, eine Immunantwort nach Impfung aufzubauen [2]. Der Impfstatus trägt hier zu einem erheblichen Schutz der Mutter und des Ungeborenen bei.
Die maternale Immunität bietet dabei die Grundlage der auch als Nestschutz oder Leihimmunität bekannten passiven Immunisierung durch transplazentaren Übertritt maternaler Antikörper. Diese passive Immunisierung stellt für das Neugeborene, dessen Immunsystem in der Regel noch keine Erfahrung mit Krankheitserregern gemacht hat, eine funktionelle Unreife und eine limitierte Kapazität der eigenen Antikörperproduktion aufweist, eine wichtige Protektion in den ersten Lebenswochen dar [6]. Der Immunglobulin-G(IgG)-Transfer über die Plazenta mittels Transzytose beginnt in der 13. Schwangerschaftswoche (SSW) und ist im letzten Drittel der Schwangerschaft ideal ausgeprägt [7]. Ab der 32. SSW erfolgt zudem ein aktiver IgG-Transport, die Hauptmenge an IgG wird in den letzten vier Wochen der Schwangerschaft transferiert [7, 8].
Die Impfimmunisierung in der Schwangerschaft hat folglich den Schutz der Schwangeren, des Schwangerschaftsverlaufes, des Ungeborenen sowie des Neugeborenen und jungen Säuglings zum Ziel.
Arten von Impfungen
In Abhängigkeit des Immunisierungstyps wird zwischen aktiver und passiver Immunisierung unterschieden. Die passive Immunisierung stellt die Verabreichung eines funktionsfähigen Antikörpers gegen den Erreger oder das krankheitsauslösende Toxin dar. Die erzielte Immunität bleibt für die Dauer des funktionsfähigen Vorliegens der Antikörper gegeben und ist vorübergehend. Eine anhaltende Immunität wird nicht erreicht. Eine aktive Immunisierung besteht in der Verabreichung von Substanzen (z. B. Erreger, Erreger-/Toxinbestandteile, mRNA), die das körpereigene Immunsystem zur Bildung eigener Antikörper befähigt und ein Immungedächtnis hinterlässt. Die Dauer der Wirkung ist grundsätzlich als langfristiger einzustufen als bei passiver Immunisierung, differiert jedoch zwischen einzelnen Impfungen mitunter erheblich.
Die Impfstofftypen der aktiven Immunisierung werden in Lebendimpfstoffe und funktionelle Totimpfstoffe unterteilt, diese stehen mono- oder multivalent zur Verfügung. Funktionelle Totimpfstoffe enthalten kein vermehrungsfähiges infektiöses Material und können also nicht die gegen die Impfung gerichtete Infektionskrankheit auslösen. Daher sind sie auch in der Schwangerschaft geeignet. Hierzu zählen unter anderem die Impfstoffe gegen Diphtherie, Tetanus, Polio, Hepatitis A und B, Influenza, Typhus, Pneumokokken, Meningokokken, Pertussis, FSME und COVID-19. Lebendimpfstoffe (z. B. gegen Mumps/Masern/Röteln, Gelbfieber, Varizellen, Influenza-Lebendimpfung) enthalten attenuierte Erreger der adressierten Erkrankung, die in der Regel bei Immunkompetenten keine Infektionserkrankung hervorrufen. Von ihnen geht ein theoretisches Übertragungs- und Schädigungspotenzial des Ungeborenen aus, weshalb sie grundsätzlich in der Schwangerschaft kontraindiziert sind. Internationale Daten zeigen jedoch, dass auch von einer Lebendimpfung reell so gut wie nie eine Infektion ausgeht [9].
Wann impfen?
Die Schwangerschaft ist nicht der richtige Zeitraum, um fehlende Grundimmunisierungen nachzuholen. Eine Prüfung des Impfstatus bei Frauen im gebärfähigen Alter und vor allem bei Kinderwunsch ist daher dringend zu empfehlen. Fehlende Immunisierungen auch in Abhängigkeit des individuellen Risikoprofils können so problemlos vor Schwangerschaftseintritt geplant und Konflikte für die Schwangere vermieden werden. Nach Lebendimpfungen wird aufgrund theoretischer Überlegungen eine sichere Kontrazeption für einen Monat empfohlen. Eine Lebendimpfung bei unbekannter Schwangerschaft
stellt jedoch keine Indikation für eine Schwangerschaftsbeendigung dar.
Impfungen in der Schwangerschaft sollen zurückhaltend und nach Abschluss des ersten Trimenons erfolgen. Im ersten Schwangerschaftsdrittel sollten lediglich dringend indizierte Impfungen erfolgen, um häufige Frühschwangerschaftskomplikationen nicht in fragliche Verbindung zur Impfung zu bringen. Für die in der Schwangerschaft durch die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlenen Impfungen sind klare Zeiträume formuliert, die nachfolgend im Kontext der einzelnen Impfungen dargestellt sind. Die zu impfende Schwangere sollte am Tag der Impfung keine Kontraindikation, zum Beispiel im Sinne einer akuten Infektion aufweisen. Allergien im Rahmen früherer Immunisierungen müssen berücksichtigt werden.
Geltende Empfehlungen zur Immunisierung Schwangerer in Deutschland
In Deutschland gelten die Empfehlungen der STIKO am RKI zur Immunisierung von Schwangeren (Tab. 1). Seit 2010 wird die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft ab Beginn des zweiten Trimenons empfohlen. Wenn eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung der Mutter durch Vorerkrankungen besteht (s. u.), ist die Gabe auch im ersten Trimenon möglich. 2020 folgte die Empfehlung zur Immunisierung von Schwangeren gegen Pertussis im dritten Trimenon. Bei erhöhter Frühgeburtswahrscheinlichkeit kann diese Impfung auch im zweiten Trimenon gegeben werden. Im September 2021 wurde auch die COVID-19-Impfung für Schwangere nach Abschluss des ersten Trimenons empfohlen. Für Diphtherie, Hepatitis B und Tollwut besteht eine Empfehlung der Impfung bei stattgehabter Exposition und vorliegender Indikation. Auch eine Tetanusimpfung ist indikationsgerecht in der Schwangerschaft möglich.
Eine Hepatitis-A-Impfung bei nicht aufschiebbaren Reisen in Infektionsgebiete oder bei beruflicher Exposition ist in der Schwangerschaft möglich, insofern ein besonderes Risiko besteht. Selbiges gilt für die FSME-Impfung bei Aufenthalt in Risikogebieten in Deutschland. Bei unumgänglichen Reisen in Risikogebiete ist auch die Impfung gegen Meningokokken sowie Typhus möglich. Eine vor der Schwangerschaft begonnene Grundimmunisierung gegen humane Papillomviren (HPV) sollte in der Schwangerschaft pausiert und nach Abschluss fortgesetzt werden. Eine Kontraindikation besteht für die Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln, Varizellen und Gelbfieber [11].
Influenzaimpfung
Das kugelig-polymorph behüllte Influenza-Virus ist auf seiner Oberfläche mit Glykoproteinen ausgestattet, zu denen unter anderem Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) gehören. Die Segmentierung des Genoms führt zu einer hohen und schnellen Variabilität des Virus und damit zu einer saisonalen Änderung der vorherrschenden Virusvarianten durch ihre Oberflächenantigene, wodurch eine entsprechende Anpassung des Impfstoffes notwendig wird. Die saisonale Auffrischung des Influenzaimpfschutzes ist dabei auf die jeweiligen Varianten abgestimmt. Eine Influenzainfektion geht in der Regel mit einer kurzen Inkubationszeit einher (ein bis zwei Tage), die Übertragung erfolgt als Tröpfchen-, Kontakt- oder Schmierinfektion. Neben einer primären Influenzapneumonie durch das Virus selbst (selten), kann es im Rahmen der Infektion zu einer bakteriellen Pneumonie durch Superinfektion mit zum Beispiel Pneumokokken, Staphylokokken oder Haemophilus kommen. Ebenso können vorbestehende pulmonale Erkrankungen exazerbieren oder selten schwere Komplikationen auftreten wie eine Myositis, Enzephalitis, (Peri-)Myokarditis, Meningitis oder ein Multiorganversagen [12].
Die Influenzainfektion in der Schwangerschaft geht mit einem erhöhten Pneumonierisiko [1, 3, 12, 13] und einer Häufung komplikativer oder schwerer Verläufe [1, 4, 13] einher. Schwangere Frauen weisen dabei gegenüber nicht schwangeren Frauen bei einer Influenzainfektion ein bis zu siebenfach erhöhtes Hospitalisierungsrisiko (55,3 vs. 7,7 pro 100.000 Fälle) auf [14, 15]. Diese ist unabhängig von der jeweiligen Influenzasaison, hängt jedoch vom Schwangerschaftsalter des Infektionszeitpunktes ab und steigt mit zunehmenden Gestationsalter an (14. bis 20. SSW: Odds Ratio [OR] 1,44, 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,97–2,15; 37. bis 42. SSW: OR 4,67, 95 %-KI 3,42–6,39) [16].
Bei Schwangeren mit Hospitalisierung und respiratorischer Symptomatik (Analyse von zehn Influenzawellen mit über 17 Millionen Schwangeren) wurde ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten (adjustierte OR [aOR] 3,82, 95 %-KI 3,53–4,14), Kaiserschnitte (aOR 3,47, 95 %-KI 3,22–3,74) und Totgeburten (aOR 2,50, 95 %-KI 1,97–3,18) berichtet [17]. Zudem wird im Rahmen der durch Fieber entstehenden Hyperthermie ein Fehlbildungsrisiko diskutiert. Von transplazentaren Transmissionen wurde in Einzelfällen berichtet, Studien zum kindlichen Outcome sind limitiert. Säuglinge sind bei Influenzainfektion durch das Auftreten von Fieber(krämpfen) und generalisierten bis hin zu tödlichen Verläufen bedroht [18].
Die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft (Totimpfstoff) ist sicher und reduziert die neonatale Morbidität (Review Level1b) [19]. In einer südafrikanischen Kohorte führte die Impfung Schwangerer zu einer Reduktion der bestätigten Infektionen der Mütter um 50,4 % (95 %-KI 14,5–71,2) und der Infektion deren Säuglinge um 48,8 % (95 %-KI 11,6–70,4) [20]. In einer US-amerikanischen Kohorte führte die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft zu weniger Influenzaerkrankungen (relatives Risiko [RR] 0,30, 95 %-KI 0,19–0,46) und Hospitalisierung (RR 0,19, 95 %-KI 0,06–0,60) der Säuglinge bis zum sechsten Lebensmonat [21]. In weiteren Arbeiten finden sich ähnliche Resultate [22, 23, 24]. Von einer erhöhten Zahl von Impfreaktionen geimpfter Schwangerer wurde bisher nicht berichtet [20, 21, 25]. Die Impfung erhöht die Fehlgeburtsrate nicht [26]. Das Frühgeburtsrisiko nach Impfung ist im Vergleich zu dem ungeimpfter Schwangeren sogar reduziert (RR 0,60, 95 %-KI 0,38–0,94]) [25].
Seit 2010 wird die Impfung mit einem saisonalen inaktivierten quadrivalenten Influenzaimpfstoff für gesunde Schwangere seitens der STIKO ab Beginn des zweiten Trimenons empfohlen. Bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung der Mutter durch Vorerkrankungen, wie Asthma bronchiale, arterielle Hypertonie oder Diabetes mellitus, gilt diese Empfehlung auch bereits im ersten Trimenon [27]. Eine Impfung der zukünftigen Kontaktpersonen der Neugeborenen ist zudem zu empfehlen.
Pertussisimpfung
Die durch das gram-negative, bekapselte Stäbchenbakterium Bordetella pertussis bedingte Keuchhusteninfektion ist eine hochkontagiöse Tröpfcheninfektion mit einer Inkubationszeit von sieben bis 21 Tagen. Infektionen im Jugendlichen- und Erwachsenenalter verlaufen häufig asymptomatisch. Komplikationen treten am häufigsten im Neugeborenen- und Säuglingsalter auf. Säuglinge erleiden im Infektionsfall gehäuft Apnoen (bis zu 61 %) und Pneumonien (ca. 23 %), die einen potenziell tödlichen Ausgang zur Folge haben können. Mindestens 60 % der erkrankten Kinder müssen hospitalisiert werden. Krampfanfälle (ca. 1 %), Enzephalopathien (ca. 0,3 %) und bleibende neurologische Beeinträchtigungen sind beschrieben [28].
Hauptinfektionsquelle für Säuglinge mit Bordetella pertussis sind Geschwister (16–43 %), die Mutter (39 %), der Vater (16 %) und die Großeltern (5 %) [29]. Die Impfung der Kontaktpersonen des (zukünftigen) Säuglings wird als Kokonstrategie bezeichnet und seit 2009 von der STIKO empfohlen [29, 30].
Der Antikörpertiter nach einer Pertussisinfektion und -impfung nimmt bereits nach einem Jahr relevant ab (55–88 %) [31, 32]. Vor der Schwangerschaft gegen Pertussis geimpfte Frauen weisen zumeist niedrige Antikörpertiter auf [33, 34]. Die Impfung in der Schwangerschaft erhöht diesen sowohl bei der Schwangeren als auch beim Neugeborenen [35].
Die STIKO empfiehlt seit März 2020, jede Schwangere in jeder Schwangerschaft unabhängig von ihrem Pertussisimpfstatus im frühen dritten Trimenon (28. bis 32. SSW) gegen Pertussis zu impfen. Bei drohender Frühgeburt soll die Impfung bereits im zweiten Trimenon erfolgen [30]. In Deutschland steht derzeit kein monovalenter Pertussisimpfstoff zur Verfügung, es wird die Verwendung des Tdap-Impfstoffes (Tetanustoxoid [T], reduziertes Diphterietoxoid [d], azellulär Pertussis [ap]) empfohlen. Bei entsprechender Indikation ist auchdie Verabreichung des Tdap-IPV-Kombinationsimpfstoffes (inaktivierte Poliovakzine [IPV]) möglich.
In einer retrospektiven US-amerikanischen Studie konnte bei einer Kohorte von Frauen, die in aufeinanderfolgenden Schwangerschaften innerhalb von fünf Jahren mehr als einmal Tdap-geimpft wurden, keine Häufung von Totgeburten, Missbildungen, Chorioamnionitiden oder neonatalen Komplikationen festgestellt werden [36]. In einer neuseeländischen Arbeit zeigte die Tdap-Impfung keine Erhöhung von Schwangerschaftskomplikationen und sogar eine schützende Assoziation vor Präeklampsie mit schweren Merkmalen, vorzeitige Wehen, Frühgeburt und vorgeburtliche Blutungen [37]. In der Sicherheitsbewertung der STIKO wurden für zwei Endpunkte jeweils ein höheres RR bei Tdap-geimpften Schwangeren beobachtet: Es muss mit sechs zusätzlichen Fieberfällen je 100.000 geimpften Frauen gerechnet werden. Ein geringfügig und teils statistische Signifikanz erreichendes erhöhtes Risiko eines Amnioninfektionssyndroms hatte jedoch keinen Einfluss auf den Schwangerschaftsverlauf oder das Neugeborene [30].
In einem Review aus 1.273 Artikeln und 22 Studien unter Berücksichtigung von 1,4 Millionen Schwangeren (Sicherheit) und 855.546 Mutter-Kind-Paaren (Effektivität) wurde eine Prävention für Pertussis von 69–91 %, eine Prävention einer Hospitalisierung im Erkrankungsfall von 91–94 % und eine Mortalitätsprävention von 95 % belegt [38]. Das Intervall zwischen Impfzeitpunkt der Tdap-Impfung und Geburt ist dabei entscheidend für den Schutz des Neugeborenen. Dieser erscheint im frühen dritten Trimenon optimal [30]. Effektivitätsdaten aus England zeigen, dass ein Schutz auch noch erreicht wird, wenn bis zu ein bis drei Wochen vor der Geburt geimpft wird.
Sowohl die Ko-Administration mit Influenzavakzin als auch die Applikation des Tdap-Impfstoffes im Abstand von mindestens vier Wochen zu einer Td(Tetanus/Diphtherie)-Immunisierung sind sicher [39, 40, 41]. Haushaltskontaktpersonen des Neugeborenen (Eltern, Geschwister, Betreuende) sollen nach Möglichkeit spätestens vier Wochen vor der Geburt geimpft sein, wenn die letzte Pertussisimpfung länger als zehn Jahre her ist [30]. Wurde die Mutter in der Schwangerschaft nicht gegen Pertussis geimpft, sollte Ihre Impfung bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt erfolgen.
COVID-19-Impfung
Die COVID-19-Erkrankung durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 stellt eine Gefährdung für Schwangere und Schwangerschaft dar. Im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen besteht ein erhöhtes Risiko einer intensivmedizinischen Behandlungsnotwendigkeit, einer Beatmungspflichtigkeit, der Entwicklung einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung sowie eine erhöhte maternale Mortalität [42, 43].
Die mRNA-basierte Impfung Schwangerer gegen COVID-19 führt zu einer äquivalenten Immunantwort im Vergleich zu nicht schwangeren oder stillenden Frauen. Auch bei Schwangeren sind die impfinduzierten Antikörpertiter dabei signifikant höher als nach SARS-CoV-2-Infektion [44, 45]. Die Impfung in der Schwangerschaft reduziert wirksam das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion [46, 47]. Impfinduzierte Antikörpergegen SARS-CoV-2 wurden wiederholt in Nabelschnurblut und Muttermilch nachgewiesen [44, 48]. Neben dem Schutz der geimpften Mutter selbst ist somit auch ein potenzieller Schutz des Säuglings im Sinne einer Leihimmunität gegeben.
Impfnebenwirkungen sind dabei weder im Spektrum noch in der Häufigkeit anders einzuschätzen als bei nicht schwangeren Frauen [49, 50]. Schwangerschaftskomplikationen traten im Vergleich nach Impfung nicht häufiger auf als in der nicht geimpften schwangeren Population (Aborte, Totgeburten, Frühgeburten, Wachstumsrestriktion, Fehlbildungen) [50, 51, 52, 53].
Seit September 2021 wird daher die COVID-19-Impfung für Schwangere nach dem ersten Trimenon von der STIKO empfohlen [54]. Dies gilt auch für die Boosterimpfung ab drei Monaten nach abgeschlossener Grundimmunisierung. Die Impfung Schwangerer soll aufgrund der derzeit verfügbaren Datenlage mit dem mRNA-basierten COVID-19-Imfpstoff von BioNTech/Pfizer erfolgen. Die Anwendung des proteinbasierten Impfstoffes Nuvaxovid® wird aktuell (Stand Februar 2022) von der STIKO aufgrund unzureichender Daten nicht in der Schwangerschaft empfohlen – kann jedoch erwogen werden, wenn bei einer Schwangeren oder Stillenden eine produktspezifische, medizinische Kontraindikation für mRNA-Impfstoffe besteht [55]. In keinem Fall ist eine Impfung im ersten Trimenon ein Grund für eine Schwangerschaftsbeendigung [56].
Rolle der frauenärztlichen Impfberatung
Die Impfakzeptanz in der Schwangerschaft ist trotz vorliegender Evidenz der Effektivität und Sicherheit sowie offizieller Empfehlungen durch Fachgesellschaften und behördliche Institutionen eher niedrig [57]. Sie lag für die saisonale Influenzaimpfung in der Schwangerschaft bis 2015 bei circa 10 % [58]. Die persönliche Empfehlung des behandelnden Arztes ist häufig der wichtigste Entscheidungsgrund für eine Influenzaimpfung in der Schwangerschaft [59]. Im Kontext der derzeitigen SARS-CoV-2-Pandemie lag die Akzeptanz der COVID-19-Immunisierung Schwangerer vor der offiziellen STIKO-Empfehlung bei 13,8 %, wobei 88,1 % der Schwangeren die Information durch Frauenärztinnen und Frauenärzte als wichtigste Informationsquelle ansahen [60].
Impfungen in der Schwangerschaft werden zukünftig zunehmende Bedeutung erlangen, auch unter Berücksichtigung von in Entwicklung befindlichen Impfstoffen etwa gegen Cytomegalie, B-Streptokokken oder respiratorisches Syncytialvirus (RSV) [61]. Entscheidend tragen die Beratung und Motivation durch Frauenärztinnen und Frauenärzte auch zur Impfung von Familien- und Haushaltsangehörigen über die Information der Schwangeren zum Schutz von Familien bei.
Fazit
Die Prüfung des Impfstatus vor und bei Schwangerschaftseintritt ist von essenzieller Wichtigkeit. Die Beratung der Schwangeren zu empfohlenen Impfungen gegen Influenza, Pertussis und COVID-19 ist eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge. Fundiertes Wissen und faktenbasierte, empathische Beratung zu Impfungen in der Schwangerschaft als gynäkologie + geburtshilfe 2022; 27 (2) wichtige Kompetenz der Frauenärztinnen und Frauenärzte bilden
dabei die Basis für eine bestmöglich Impfakzeptanz.